Abschiede und eine Hochzeit!
In dieser Woche Anfang Oktober ist
Miriam, die Freiwillige in dem anderen Projekt, zurück nach
Deutschland geflogen und auch ich habe auf Neuigkeiten über meinen
Projektwechsel gewartet. An einem Tag wurde ich dann von den Wardens
spontan zu einer Hochzeits-Function „eingeladen“. Miriam hatte
das Brautpaar sogar schon getroffen und ich war ihre deutsche
Freundin, was vollkommen als Eintrittskarte reicht.
Es war die Hochzeit einer relativ
wohlhabenden Familie und für uns die perfekte Gelegenheit, das erste
Mal richtig einen Saree zu tragen. Als wir im Zimmer standen und uns
mit Hilfe der Köchin und den beiden Wardens angekleidet haben, wurde
mein Saree kurzerhand als nicht feierlich genug deklariert, da es nur
ein Alltags-Saree ist. Also hat einer der Wardens einen ihrer
schönsten Sarees geliehen, in den ich dann noch schnell eingewickelt
wurde. Für die Schulmädchen waren wir natürlich eine Attraktion
und für die Inder sahen wir aus wie Schaufensterpuppen („puppets“).
Nach stundenlangem Warten ging es dann für Miriam und mich mit den
Wardens und einer Gruppe an Indern auf zur Function. Etwas verspätet
kamen wir dann an der großen Halle an, die extra gemietet wurde und
mit hunderten Lichtern behangen war. Zur Begrüßung bekommt jeder
Gast Süßigkeiten und Blumen für die Haare, von denen sich die
Köchin erstmal eine Tüte eingepackt hat. So wird’s gemacht! Die
Halle war auch schon gut gefüllt mit den ungefähr tausend Gästen,
die alle gekommen und gegangen sind, wann sie wollen und es herrschte
reges Treiben. Derweil saß das Brautpaar auf der Bühne auf einem
reich verzierten Sofa in indischer traditioneller Kleidung und die
Braut war natürlich mit Massen an Schmuck behangen. Die Function ist
noch etwas anderes als die Trauung und es wurden Reden gehalten,
Lieder vorgeführt und natürlich musste jeder Gast ein Foto mit dem
Brautpaar machen. Da sich so etwas bei 1000 Gästen sehr in die Länge
zieht, geht jeder, wenn er möchte, nach unten um dort das Festmahl
zu verspeisen, aufzustehen und schnell für die nächsten Gäste
Platz zu machen, da niemals alle in einen Raum passen. Das
obligatorische Festtagsessen in Andhra Pradesh ist wie immer Biryani.
An diesem Abend gab es Mutton Biryani. Was kann man sich darunter
vorstellen? Reis, der schon mit einer Soße vermischt ist, die einen
eigenen Geschmack hat, und grob gehackte Stücke Ziegenfleisch, mit
Knochen, Knorpel und allem was dazu gehört. Dazu gibt es Raitha
(Joghurt mit Zwiebeln) und als Nachtisch gelben (?) Milchreis. Am
Anfang fand ich es etwas eigen, aber ich muss sagen: Ich bin auf den
Geschmack gekommen! Das ganze wird auf Bananenblättern gegessen und
man muss aufpassen, da einem schnell in einer unbemerkten Sekunde
wieder Massen an Reis aufgeladen werden. Insgesamt hat es mich aber
eher an eine Massenabfertigung erinnert und mir hat ein bisschen das
feierliche oder auch gemütliche Ambiente gefehlt, was aber bei
tausend Gästen schon fast unmöglich. Insgesamt war es ein
interessanter Abend und ein schöner Abschluss für Miriam in
Chittoor.
Die Function-Hall für die Hochzeit |
Das Hochzeitspaar |
Wardens, Köchin und Ich im Saree |
Am nächsten Tag war dann der Abschied
gekommen. Ich bin morgens vor der Arbeit noch zur Sherman School
gegangen, um sie zu verabschieden. Es herrschte eine gedrückte
Stimmung und die Kinder waren sehr traurig. Die Wardens haben dann
noch für Miriam und mich gebetet und schienen sehr berührt über
den Abschied zu sein. Miriam machte sich dann auf nach Bangalore.
Am nächsten Tag hat es mich dann auch
spontan nach Bangalore getrieben, um dort den letzten Tag mit ihr zu
verbringen und mal raus aus Chittoor zu kommen. Ich habe mich mitten
in der Nacht auf den Weg gemacht, um morgens in Bangalore anzukommen,
da es im Dunkeln zu gefährlich ist.
Es war schon merkwürdig Chittoor
nachts so leer und still zu sehen, weil ich es sonst nur so lärmend
kannte. Da musste ich bei mir denken, dass der Ort wenigstens nachts
seinen Frieden findet. Doch am Busbahnhof und überall an der Strasse
haben die Obdachlosen geschlafen und ich war ganz froh, dass mein
Chef mich mit seinem Scooter zum Bahnhof gefahren hat. Dann ging es
mit einem privaten Nachtbus nach Bangalore. Ich sollte Miriam an dem
Büro ihrer Organisation in Bangalore morgens treffen und mir wurde
detailliert der Weg dorthin beschrieben und an welchen Busstationen
ich um- und aussteigen musste. Leider ist es dann alles anders
gekommen, denn die privaten Busse haben eine andere Route und ich
wurde nur irgendwo abseits der richtigen Busstation abgesetzt. Ich
wollte mich dann zu den Bussen nach Koramangala durchfragen, aber
nachdem ich ca. zwanzig Mal in vollkommen unterschiedliche Richtungen
geschickt wurde und die Busfahrer mir auch nie weiterhelfen konnten,
war ich schon etwas verzweifelt. Das erste Mal alleine in Bangalore
und dann so etwas. Dann hat mich zum Glück irgendein Inder
aufgelesen, der meine offensichtliche Verwirrung bemerkt hat und
wahrscheinlich froh war, dass ich nicht an irgendwelche anderen
zwielichtigen Gestalten in der kommenden Morgensonne geraten bin.
Dieser hat mich dann mit seinem Motorrad eine halbe Stunde durch die
Stadt direkt vor die Haustür des Office gefahren. Man kann wirklich
sagen, ich hatte Glück! Dort wartete Miriam auch schon auf mich und
wir wollten uns auf den Weg in die Stadt machen. Doch die Mitarbeiter
wussten, dass man mit Bussen und Rikshas in Bangalore nur langsam
vorankommt und sich wenige Plätze anschauen kann. Also wurde für
uns ein Taxi mit einem Fahrer bestellt, der uns den ganzen Tag lang
an alle Orte gebracht hat, die wir besuchen wollten. So hatten wir
sozusagen einen persönlichen Chauffeur für einen Tag.
Wir haben einige schöne Orte in
Bangalore besucht, obwohl es insgesamt nicht viele Sehenswürdigkeiten
gibt. Wir waren im Bangalore Palace, der ganz beeindruckend britisch
war, und von der Innenausstattung eine interessante Mischung aus
allen Stilen und indischer Kultur hatte, die einfach gnadenlos
durchmischt wurden. Als wir dann in dem einen Raum, der wohl auch als
Office diente, plötzlich Touristenbilder von der chinesischen Mauer
dort hingen, waren wir doch verwundert...
Es war das erste Mal das man sich so
schön offensichtlich als Tourist verhalten konnte und Miriam und ich
hatten auf jeden Fall unseren Spaß dabei. Außerdem haben wir die
Shoppingmeile, MG Road (Mahatma Ghandi Road) besucht, und ich war
schockiert, wie westlich alles auf mich wirkte. Den Tag haben wir
dann schön an einem See (Ulzoor Lake) ausklingen lassen, der für
uns nicht schön wirken würde, aber für Bangalore-Verhältnisse
eine richtige Oase war. Nach einer Bootstour haben wir den letzten
Abend dort noch schön mit einem Picknick verbracht und abends kamen
dann auch so einige Pärchen an den See. So in der romantischen
Abendstimmung kommen auch die verschleierten Frauen mit ihren Männern
Hand in Hand und hinter einem Baum wird dann auch schonmal der
Schleier gelüftet. Als das wirkte auf uns sehr modern, da wir nur
Chittoor-Verhältnisse gewöhnt waren, und dort berühren sich
Ehepartner noch nicht einmal wenn sie im eigenen Haus sind. Ich
sollte dann von meinem Chef abgeholt werden und die Nacht über in
Bangalore verbringen. Leider hatte sein Auto einen Platten und wir
haben mit dem kaputten Reifen eine kleine Odyssee durch Bangalore
gestartet, um einen neuen zu bekommen, es im Dunkeln von einem
Riksha-Fahrer reparieren zu lassen und dann endlich im Apartment
anzukommen. Ich bin dann einfach nur noch todmüde ins Bett gefallen
und Miriam hat nachts ihren Flug zurück nach Deutschland genommen.
Ein schöner letzter Tag!
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